50-25-10 Die Entstehung von EMRIC: die grenzüberschreitende Hilfeleistung bis Ende der 90er Jahre

24-06-2024

Die für Europa einzigartige EMRIC-Partnerschaft hat eine sehr lange Geschichte. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der EMRIC-Region hat sicherlich im Bereich der nachbarschaftlichen Hilfe der Feuerwehren der Grenzgemeinden begonnen.

Organisierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst begann dann 1974, als der Kreis Aachen den Kontakt zu seinen belgischen und niederländischen Nachbarn suchte, um auch grenzüberschreitende Rettungshubschraubereinsätze zu ermöglichen. Das war der eigentliche Anfang. Aber es passierte noch viel mehr.

Marian Ramakers, bis zum 1. Januar 2024 Programmmanagerin von EMRIC, hat sich vorgenommen, die Entstehungsgeschichte von EMRIC zu Papier zu bringen. Sie tut dies gemeinsam mit Marlis Cremer, der ehemaligen Leiterin des Amtes für Rettungswesen und Bevölkerungsschutz der Städteregion Aachen. Marlis und Marian werden in die Vergangenheit eintauchen, alte Kontakte ausfindig machen, Interviews mit Zeitzeugen dieser Geschichte führen und im Laufe des Jahres 2024 regelmäßig Artikel auf der EMRIC-Website und den EMRIC-Seiten auf Facebook und LinkedIn veröffentlichen. Natürlich unterstützt die EMRIC-Lenkungsgruppe diese Initiative von ganzem Herzen.

Wir betrachten die Themen Katastrophenschutz und Krisenmanagement, Feuerwehr und Rettungsdienst. Dieser erste Artikel befasst sich mit dem Katastrophenmanagement ab den 1980er Jahren.

Katastrophenmanagement ab den 1980er Jahren

In den 1980er Jahren haben die Niederlande, Belgien und die Bundesrepublik Deutschland Abkommen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen geschlossen. Bei einem internationalen Treffen in München am 25. und 26.04.1988 haben die Vertreter der drei Länder beschlossen, eine Katastrophenschutzübung im Dreiländereck Aachen durchzuführen. Im Anschluss an diese Übung hat sich eine Gruppe von Menschen zusammengefunden, um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Euregio-Maas-Rhein aufzubauen.

Herman Meers, damals Bezirkskommissar in der Provinz Limburg Belgien, war der erste noch lebende Vorsitzende und hat zusammen mit Kollegen viel bewegt. Uns bekannte Kollegen waren Dieter Nüssler (D), Helmut Probst (D), Nico Herzig (NL), Paul Schmedding (NL) und Claudy Marchal (B), der leider kürzlich verstorben ist.

Oefening Montzen 1989Oefening Montzen 1989Oefening Montzen 1989Oefening Montzen 1989

Wir haben uns auf die Suche nach diesen Personen gemacht und bereits mit einigen von ihnen gesprochen und eine Menge herausgefunden. Wir begannen mit Herman Meers. Herman empfing uns sehr herzlich und gastfreundlich bei sich zu Hause, stöberte in den Archiven und stellte uns den unten angefügten Text Verfügung, das wir interessierten Lesern natürlich nicht vorenthalten wollen. Wir haben bereits auch mit Dieter Nüssler und Helmut Probst gesprochen. Ihre Geschichten werden in einer der nächsten Folgen dieser Serie über die Geschichte von EMRIC erscheinen.

Hier ist also der Beitrag von Herman Meers:

 

EMR - Grenzüberschreitende Hilfe bei Unfällen und Katastrophen in den 1990er Jahren

Text basierend auf einem Interview vom 17.04.2024 von Frau Marian Ramakers und Frau Marlis Cremer (EMRIC) mit Bezirkskommissar I.R.Herman Meers in Limburg (B), Vorsitzender der EMR-Arbeitsgruppe Öffentliche Ordnung und Sicherheit 1991-1998

 

EMRIC: Über die grenzüberschreitende Hilfe vor 2000 ist wenig bekannt.

H.M.. Grenzüberschreitende Hilfe ist nichts Neues. Ich wurde kurz nach dem Krieg in Riemst, einige Kilometer von Maastricht entfernt, geboren und hörte als Kind, dass die Feuerwehr aus Maastricht über die Grenze fuhr, wenn in den Riemster Stadtteilen Vroenhoven oder Kanne ein Feuer gelöscht werden musste. Es war offenbar wenig formalisiert, aber es geschah. Und es hat den Menschen geholfen.

Lange Zeit basierten die Feuerwehren in Belgien auf der Gesetzgebung aus der französischen Zeit (1789), und die Gemeinden waren voll verantwortlich. Im Bedarfsfall mussten sie lediglich Hilfe aus den Nachbardörfern oder -gemeinden anfordern, auch wenn diese jenseits der Grenze lagen. Aber die Zeiten ändern sich, und so wurden über mehrere Zwischenstufen strengere Gesetze erlassen, die die Befugnisse, Zuständigkeiten und Haftungen der Gemeinden und Rettungsdienste verschärften. Eine ähnliche Entwicklung war auch in unseren Nachbarländern zu beobachten. Man muss also nicht einmal die Rechtsprechung unserer jeweiligen Länder bemühen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die grenzüberschreitende Hilfeleistung den gleichen Verantwortlichkeiten und Haftungen unterliegt. In der Praxis bedeutet dies, dass die Parteien sowohl in administrativer als auch in operativer Hinsicht ganz klare Vereinbarungen treffen müssen. Ohne Praxis wird es auch nicht wirklich funktionieren.

Gleichzeitig wurde ab den 1970er Jahren immer mehr Aufmerksamkeit auf die potenziell grenzüberschreitenden Auswirkungen von schweren Unfällen und Katastrophen gelenkt. Der schwere Dioxinunfall in Seveso, Italien (1976), führte zur so genannten europäischen Seveso-Richtlinie, in der Maßnahmen zur Information und zum Schutz von Mensch und Umwelt in der weiten Umgebung potenzieller Gefahrenquellen und Gefahrenstellen ausführlich behandelt wurden. Darüber hinaus war die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ein weiterer Beweis für die große Verwundbarkeit unserer Gesellschaft.

Dies veranlasste viele Länder, mit ihren Nachbarländern bilaterale Verträge über die Alarmierung, den Informationsaustausch und die gegenseitige Unterstützung auf nationaler, regionaler (Provinz-) und kommunaler Ebene abzuschließen. (Zwischen den Niederlanden und Belgien kam so am 14.11.1984 das Haager Übereinkommen zustande).  

Es war ein großer Erfolg der Stichting Euregio Maas-Rhein, dass die gegenseitige Hilfeleistung bei Unfällen und Katastrophen in der gleichnamigen Grenzregion Ende der 80er Jahre von einer speziellen EMR-Arbeitsgruppe für öffentliche Ordnung und Sicherheit vorbereitet wurde. Aber wo soll man anfangen? Bei drei verschiedenen Gesetzgebungen und Systemen (B, NL und D) bezüglich der Organisation von Rettungsdiensten und in einer Euregio mit drei verschiedenen Sprachen ist dies keine leichte Aufgabe.

Herr Lou Cobben von der Provinzverwaltung Limburg-NL führte den Vorsitz der Arbeitsgruppe und wurde dabei von Delegierten der verschiedenen Euregio-Partner und der verschiedenen Rettungsdienste unterstützt. Die Feuerwehr war am stärksten vertreten (Dr. Dieter Nüssler aus Aachen, Herr Paul Schmedding aus der Region Zuid-Limburg, Herr Louis Van Rompaey aus Hasselt und Herr A. Halet aus Lüttich). (Die Arbeit des Ausschusses konnte auf ein begrenztes Budget zurückgreifen, das von der Euregio für die tatsächlichen Kosten im Rahmen eines genehmigten Projekts zur Verfügung gestellt wurde).

 

Mehrsprachige Meldeformulare und monodisziplinäre Katastrophenübungen für die Feuerwehr (Anfangsphase)

Ab 1991 konnten wir mit großer Unterstützung der Leiter der Euregio-Leitstellen mehrsprachige Meldeformulare in französischer, deutscher und niederländischer Sprache einführen um den euregionalen Informationsaustausch und die gegenseitige Hilfeleistung zu verbessern. Angesichts der damaligen Technik erfolgte diese Kommunikation noch hauptsächlich per Fax.

Parallel dazu wurden die notwendigen Übungen zwischen den Leitstellen eingeführt.

Um sich noch besser kennen zu lernen, organisierten verschiedene Feuerwehren aus der Region Südlimburg, Aachen und Eupen mehrere gemeinsame Löschübungen (z. B. die Brandbekämpfung im großen Tanklager in Aachen) oder hielten Seminare ab (z. B. in Maastricht zur Bekämpfung von Chemieunfällen).

 

Symposium: "Grenzüberschreitende Hilfe. Warum und wie soll sie organisiert werden?" (EUPEN 1994 ?)

Mehrere Gemeinden und Rettungsdienste der Euregio haben auf unsere Kampagne zur Konkretisierung von Vereinbarungen über die gegenseitige Hilfeleistung mit Nachbargemeinden über die Landesgrenze hinweg reagiert. In diesem Zusammenhang luden wir sie nach Eupen, in das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, zu einem Symposium über den Nützen der gegenseitigen Hilfe für die Bewohner nahe der nationalen Grenzen ein. Ziel war es, mehr Wissen darüber zu sammeln, wie die grenzüberschreitende Hilfe organisiert werden kann, ohne dass es zu Konflikten mit der nationalen Gesetzgebung kommt. Glücklicherweise hatten wir in unserer Arbeitsgruppe Mitglieder mit Mut und Fantasie, die naheliegende Lösungen präsentieren konnten. Oder sie versuchten es…

Symposium Notfallmedizinische Hilfe bei Katastrophen und Unfällen ( ALDEN BIESEN 1995)

Im Dezember 1995 haben wir Abteilungsleiter und Vertreter von Rettungsdiensten aus der gesamten EMR zusammengebracht. Es war noch nie vorgekommen, dass sich Vertreter der medizinischen Disziplin in einem solchen Umfang in der Euregio getroffen hatten. Der Konferenzraum des Schlosses ALden Biesen (Bilzen) war voll besetzt. Ähnlich wie bei der Feuerwehr sind wir in der Medizin bei Unfällen und Katastrophen mit drei verschiedenen Organisationsformen und divergierenden Konzepten und Begrifflichkeiten konfrontiert. Ziel des Symposiums war es, sich durch aufschlussreiche Präsentationen über Ressourcen und Praktiken bei jedem der Partner gegenseitig zu informieren. Trotz vieler Unterschiede wurde deutlich, dass bei großen Katastrophen mit vielen Opfern das taktische Vorgehen sehr ähnlich ist, unabhängig davon, welcher Partner zuständig ist. In der Euphorie des Augenblicks wurde beschlossen, dass wir mit der Arbeitsgruppe im Stillen genug Kredit für eine große euregionale multidisziplinäre Übung wie damals in Montzen aufgebaut hatten. Diesmal jedoch mit besonderem Schwerpunkt auf der medizinischen Komponente.

 

EUROMED I : Test des Verteilungsplans für Krankenhäuser im Falle von Großschadensereignissen (1996)

Als Zwischenschritt zur Großübung sollten zunächst die euregionalen Verteilungspläne für Notfallopfer aktualisiert und die Aufnahmekapazitäten der Krankenhäuser anhand einer Stabsübung mit der Evakuierung des Krankenhauses Tongeren als Szenario getestet werden. Was auch geschah.

 

EUROMED II: große euregionale medizinische Übung (ZUTENDAAL 1997)

Es muss noch einmal gesagt werden, dass es bei Unfällen oder Katastrophen in Grenzregionen oft angebracht ist, das Katastrophenschutzpotential von beiden Seiten der Grenze zusammenzufassen, um Menschen in Not zu helfen und weitere Schäden, auch Umweltschäden, zu begrenzen. Ohne konsequente Vorbereitung und Übung ist dies jedoch nicht möglich. EUROMED II ist ein typisches Beispiel dafür.

Das Szenario sah ein Flugzeug in Not vor, das mit 140 Passagieren auf dem Weg zum Flughafen Maastricht-Aachen war und vor der Ankunft eine Notlandung auf dem ehemaligen Militärflugplatz Zutendaal versuchte. Diese Notlandung scheiterte kläglich.

Die Hauptziele waren die Erprobung

  • der Alarmierungsverfahren und die Mobilisierung der grenzüberschreitenden medizinischen Hilfskette durch die Leitstellen unter Verwendung der mehrsprachigen Meldeformulare
  • des Einsatzes der Rettungskette(n) vor Ort
  • der Integration und Zusammenarbeit der verschiedenen euregionalen Rettungsdienste unter einer einzigen Kommandostruktur
  • der Zusammenarbeit und Aufgabenteilung bei der Triage der Opfer und deren Einweisung in das entsprechende Krankenhaus unter Berücksichtigung von Spezialisierungen und Aufnahmekapazitäten.

Etwa 150 Personen aus der medizinischen Kette waren an der Übung beteiligt, zusammen mit 220 anderen Einsatzkräften von Feuerwehr, Logistik und Polizei ... Die Zahl der Fahrzeuge betrug 101, darunter 41 Rettungswagen und 9 MUG-Fahrzeuge (SMUR, Crash-Team, Notarzt).

In den folgenden Monaten wurden die Bewertungsberichte der euregionalen Beobachter abgewartet. Deren kritische Anmerkungen wurden pro Disziplin in einem umfassenden Bericht zusammengestellt. Von der Übung wurden auch Videoaufnahmen gemacht, die zusammen mit dem Bewertungsbericht den direkt Beteiligten zur Verfügung gestellt werden sollten. Sie wurden auch als Lehrmaterial für die Rettungsdienste in der gesamten Euregio angeboten.

Es ist schwierig, Übungen dieser Größenordnung in regelmäßigen Abständen zu veranstalten. Wir wollten jedoch möglichst viele Lehren aus dieser Übung ziehen und sie so vielen Beteiligten wie möglich zugänglich machen. Dies kostete uns dennoch einiges an Arbeit in Bezug auf Sekretariat, Übersetzung und Vertrieb....

Wie zuvor vereinbart, wurde ich 1998 von meinem guten Kollegen Nico Herzig, Mitarbeiter im Büro des Gouverneurs (Kommissar des Königs), als Vorsitzender der Arbeitsgruppe abgelöst.) in Maastricht. Ich bin allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe für das Engagement und die Zusammenarbeit, die ich während meines Vorsitzes erfahren habe, dankbar und anerkennend. Besonders erwähnen und danken möchte ich unserem Sekretär Leon J. Janssen für seine hoch geschätzte administrative Führung und Berichterstattung.

Nach 1998 musste ich meine Teilnahme an der Euregio-Arbeitsgruppe aufgrund von Aufgaben im Innenkabinett im Zusammenhang mit der Notfallplanung und der Reform des Feuerwehrwesens einschränken.

Die Hilfe für die Bewohner der Grenzregionen lässt sich am besten mit vereinten Kräften organisieren: zumindest bei Katastrophen, wenn die Ressourcen knapp sind. Aber auch bei alltäglichen Unfällen, wenn grenzüberschreitende Hilfe am besten geeignet ist. All dies muss gut vorbereitet sein und konsequent und wiederholt geübt werden.

Groß angelegte Übungen sind sicherlich notwendig. Aber meiner Meinung nach bilden regelmäßige Kontakte, ob bei (kleineren) Unfällen oder bei lokalen Übungen, das Rückgrat einer soliden gegenseitigen Hilfeleistung. Eine solide Struktur wird von unten nach oben aufgebaut. Die Rolle und das Verdienst von EMRIC besteht darin, all dies anzuregen und zu leiten.